Die allgegenwärtige Lebendigkeit des Mittelalters in Hainburg

archäologische Grabarbeiten

(Hainburg – NÖ) Historisch belegt, in den Annalen der Stadtchronik dokumentiert und verankert, wird die am Donaustrom liegende Stadt Hainburg im östlichsten Teil Niederösterreichs als Mittelalterstadt tituliert. Bedeutende Baudenkmäler wie das Wiener Tor aus dem 13. Jahrhundert, die Ruine am Schloßberg und die Stadtmauer, alle drei Kulturstätten seit Jahrzehnten unter verantwortungsbewußt agierenden und ehrenamtlich geleiteten Gruppierungen betreut und instandgehalten, geben darüber Zeugnis.

Etwa ab Mitte der 1990er Jahre wurde damit begonnen, die geschichtsträchtige Bedeutung auch zielgerecht für den Tourismus hervorzuheben. „Mittelalterstadt Hainburg/D.“ hieß es dann. Im Jahr 2001 kam es zu einem Sensationsfund in der örtlichen Volksschule in der Alten Poststraße (wir berichteten). Schon damals versuchten wir unseren Beitrag zu leisten, daß diese Entdeckung, eine großflächige Grabstätte, erhalten bleiben möge und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden würde. Doch in Realität wurden letztlich nur einzelne Elemente entnommen, der wissenschaftlichen Abteilung des Bundesdenkmalamtes zugeführt, und der Rest im wahrsten Sinne des Wortes zugeschüttet. Hainburg stand damals unter der Federführung einer SPÖ-Regierung unter Bürgermeister Raimund HOLCIK. Eine große und leider voraussichtlich nicht wieder kehrende Chance wurde vertan.

Die Vermessung des Mittelalter-Brunnens für die Erstellung des Befundes für das Bundesdenkmalamt neben der VolksschuleDie Vermessung des Mittelalter-Brunnens für die Erstellung des Befundes für das Bundesdenkmalamt neben der Volksschule

Wie allgegenwärtig jedoch das Mittelalter in Hainburg, zwischen den Hauptstädten Wien und Bratislava gelegen, tatsächlich ist, zeigte sich auch im Zuge der beabsichtigten Errichtungsarbeiten eines Gebäudes der Evangelischen Kirche, ebenfalls in der Alten Poststraße.

Die evangelische Kirche war zuvor im Besitz einer Prachtvilla, Ecke Marc-Aurel Gasse – Hummelstraße, die ihr zu Beginn des vergangenen Jahrhunderts vererbt wurde. Über Jahrzehnte als Expositur der evangelischen Regionalstelle in Bruck/Leitha in Verwendung stehend, fristete sie als „Kirche“ ein eher vernachlässigtes Dasein. So lange bis die Bausubstanz in einen so schlechten Zustand verfiel, daß behördliche Maßnahmen Mitte des ersten Jahrzehnts nach 2000 erforderlich schienen. Sanierung oder Verkauf war die Frage, die sich die Evangelisten stellten. Man entschloß sich zum Verkauf und suchte ein geeignetes Grundstück um neu zu bauen, und fand es in der Alten Poststraße. Die Stifterin der Prachtvilla würde sich im Grabe umdrehen, wenn sie wüßte, wie mit dem vererbten Gut umgegangen wurde.

Der freigelegte SchmelzofenDer freigelegte Schmelzofen

Nachdem der neue Baugrund direkt an die öffentliche Volksschule angrenzt, wurde der Evangelischen Kirche durch das Bundesdenkmalamt der Auftrag erteilt, archäologische Probegrabungen vornehmen zu lassen. Die Grabungen zur Erstellung eines sogenannten Befundes wurden durch den Verein Archäologie Service unter der wissenschaftlichen Leitung von Mag. Roman IGL vorgenommen. Dafür stand dem Team ein Zeitfenster von nur drei Tagen zur Verfügung. „Zeit ist Geld“, und dementsprechend hoch waren die Anforderungen, denen sich das Team zu stellen hatte. Am 5. Oktober 09 trafen wir auf die emsig arbeitende Truppe, die ihre letzten Stunden auf der Grabungsstätte, dem künftigen Bauplatz, verbrachte.

Am letzten Tag der Arbeiten des Archäologie Service werden letzte Funde geborgen und gesichert. Die Kosten hatte die Evangelische Kirche zu tragen.Am letzten Tag der Arbeiten des Archäologie Service werden letzte Funde geborgen und gesichert. Die Kosten hatte die Evangelische Kirche zu tragen

Funde wurden gesichert und verpackt, und für den Ausgrabungsbefund Vermessungen vorgenommen und gesichert. Entgegen den Erwartungen durch das Bundesdenkmalamt, wie uns Frau HR Dr. Christa FARKA mitteilte, hielten sich dann allerdings die Bedeutung und das Ausmaß der Funde in Grenzen. Beispielsweise wurden nur ein Grab, ein Schmelzofen und ein mittelalterlicher Brunnen freigelegt. Die bedeutsamen Fundgegenstände wurden anschließend in das Zentrallager des Bundesdenkmalamtes überführt und werden im Laufe der Zeit wissenschaftlich bearbeitet.

Während in der Alten Poststraße die Grabungen auf dem Baugrund der künftigen Evangelischen Kirche zum Abschluß gebracht wurden, gehen sie derzeit noch uneingeschränkt am Großbauplatz der Stadt nächst der Bremsiedlung am vormaligen Truppenübungsplatz weiter.

Das wissenschaftliche Team am ehemaligen Truppenübungsplatz bei Grabungen - Herr IGL rechts im BildDas wissenschaftliche Team am ehemaligen Truppenübungsplatz bei Grabungen – Herr IGL rechts im Bild

Die Gesamtdauer und die budgetären Mittel ermöglichen es, an der dort im Osten der Stadt gelegenen Grabungsstätte eine viel intensivere archäologische Untersuchung vorzunehmen, die auf drei Jahre veranschlagt ist. Am 21. Oktober konnten wir auch dort Herrn Mag. IGL antreffen, der uns berichtete, daß diese Funde auf die Jungsteinzeit 5000 bis 5500 v.C. zu datieren sind. In der Fachsprache der Archäologen gibt IGL an, eine „hohe Dichte an Befunden“ vorzufinden, die aus der Zeit der Seßhaftwerdung stammt und die auf erste landwirtschaftliche Tätigkeiten, Bauern schließen lassen. Während der Grabungsarbeiten stieß man auch auf Überreste, die auf Holzpfahlbauten zurückzuführen sind. In diesem örtlichen Bereich erwartet man sich noch einiges an Funden und Erkenntnissen und hebt die wissenschaftliche Bedeutung hervor.

Zahlreiche Funde am sogenannten GÜPL werden die Archäologen noch lange beschäftigen. Nach der kommenden Winterpause geht es im Frühjahr mit den Ausgrabungsarbeiten weiterZahlreiche Funde am sogenannten GÜPL werden die Archäologen noch lange beschäftigen. Nach der kommenden Winterpause geht es im Frühjahr mit den Ausgrabungsarbeiten weiter

Ob es nicht für öffentliche Stellen empfehlenswert wäre, darüber nachzudenken, ob, wie im Falle des vormaligen Truppenübungsgeländes, eine kleine Einrichtung vor Ort zu schaffen wäre, die die Vergangenheit in plastischer, begreifbarer Form für Bewohner und Touristen zugänglich macht? Wenn tatsächlich an so vielen Stellen in Hainburg archäologisch interessante Funde ans Tageslicht befördert werden, so könnte es doch durchaus denkbar sein, in kleinen Einheiten konzipiert, ähnelnd einem Wanderpfad solche Schaueinrichtungen in die Stadtführungen einzubinden.

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