Evangelische Pfarrgemeinde – bitte die Kirche im Dorf lassen

umstrittenes Kirchenprojekt

20 Meter hoher "Glockenturm"(Hainburg) Vor einigen Wochen erreichte eine Massenaussendung der Evangelischen Pfarrgemeinde A.B. Bruck/Leitha die Haushalte. In dem Kuvert befand sich eine Sonderausgabe von „Deine Gemeinde“, ein Nachrichtenblatt, das in aufwendiger Form das Bauvorhaben der neuen Martin Luther Kirche im Zentrum von Hainburg/D. vorstellt. Auf 24 Seiten Glanzpapier in DIN A5, nehmen unterschiedlich an dem Projekt Beteiligte dazu Stellung. Darunter auch der Verein „Freunde der Evangelischen Kirche in Hainburg/Donau“, repräsentiert durch den geschäftsführenden stellvertretenden Obmann, Adolf REICHEL. Grundsätzlich gibt es nichts dagegen einzuwenden, wenn ein architektonisch derart „einschneidendes“ Gebäude durch so eine Maßnahme der Öffentlichkeit näher gebracht werden soll. Doch die Vorgeschichte, die die Evangelische Kirche dazu veranlasste, mit solch einer aufwendigen Broschüre um Sympathie, Mitglieder und Sponsoren für dieses Bauvorhaben zu werben, erscheint etwas fragwürdig.

Zuerst läßt die Evangelische Kirche eine Villa, die ihr laut Angaben vererbt wurde baufällig werden, dann sucht sie Geldgeber für einen 1,4 Mio Neubau

So schreibt REICHEL in seinem Text auszugsweise wie folgt:

In Hainburg wurde bereits im Jahre 1913 die erste evangelische Predigtstelle im Osten des Bundesgebietes errichtet und die Pfarrgemeinde sieht es als ihre Verpflichtung, nach dem Verkauf der baufällig gewordenen Villa in der Marc-Aurel-Straße, wieder ein schönes und zeitgemäßes Gotteshaus zu errichten.

REICHEL hat schon recht damit, wenn er von einer baufällig gewordenen Villa spricht. Wir vermissen allerdings jeglichen Hinweis in dem Text, wie es überhaupt zu der Baufälligkeit kommen konnte. Ein Zustand den die Evangelische Kirche zu verantworten hatte und warum diese besagte Villa derart vernachlässigt wurde. Tatsächlich wurde die Villa von der Kirche verkauft und von dem neuen Besitzer in einen Zustand gebracht, der der Pracht der vergangenen Jahrhundertwende doch so ziemlich nahe kommt, wie wir meinen.

Nach der Renovierung durch die neuen Besitzer präsentiert sich die "alte Kirche" der Evangelischen Pfarrgemeinde im Mai 2010 in der Marc-Aurel-Gasse wieder als Prachtvilla

Nach der Renovierung durch die neuen Besitzer präsentiert sich die „alte Kirche“ der Evangelischen Pfarrgemeinde im Mai 2010 in der Marc-Aurel-Gasse wieder als Prachtvilla

Es wird weiter ausgeführt, daß die Neuerrichtung ca. € 1.400.000.- kosten wird. Ein Betrag, der mit Sicherheit weit über den Investitionen liegt, den die Renovierung der Villa, die noch dazu der Evangelischen Kirche vererbt wurde, gekostet hat. Legt man diese Summe auf die ebenfalls in der Broschüre ausgewiesenen ca. € 400 – Pfarrgemeindemitglieder um, dann stellt dies eine pro-Kopfbelastung von € 3.500.- dar. (340 bis 350 laut unseren Recherchen bei öffentlichen Stellen) Und wie viele von den angeblich 400 Gemeindemitgliedern gehen denn tatsächlich in die Kirche? (Für die gesamte Pfarrgemeinde Bruck/Leitha werden in der Broschüre 1.650 Mitglieder ausgewiesen).

Der Verein wurde laut Eigenangaben 2007 gegründet und mit dem Bau der Kirche beauftragt. Er soll den Bau unterstützen, Sponsoren gewinnen und damit die Realisierung des Projektes gewährleisten. Als Architekten wurde das international bekannte Büro Coop Himmelb(l)au gewonnen.

Zur Veranschaulichung: die rote Säule markiert die Höhe des geplanten 20 Meter hohen "Glockenturms"

Zur Veranschaulichung: die rote Säule markiert die Höhe des geplanten 20 Meter hohen „Glockenturms“

Die Länge dieses Stehers zogen wir für die Höhenberechnung heran. Standort der geplanten Kirche: Ecke Alte Poststraße - Leyrergasse

Die Länge dieses Stehers zogen wir für die Höhenberechnung heran. Standort der geplanten Kirche: Ecke Alte Poststraße – Leyrergasse

Als wir vor einigen Jahren mit einem Vertreter der Evangelischen Kirche wegen der Villa in der Marc-Aurel-Gasse, ihres Zustandes und ihrer Zukunft sprachen, berichtete man uns, daß der Kirche diese Villa durch eine Erbschaft zu Teil wurde. Ing. Ernst H. JUNG (Kurator der Evang. Pfarrgemeinde Bruck/Leitha – Hainburg/Donau) formuliert in der aktuellen Werbebroschüre allerdings so:

Mit der Schenkung der Villa durch Familie Harsch konnten ab 1913 die Gottesdienste wieder in Hainburg abgehalten werden.

Bei unserem zurückliegenden Gespräch mit dem Kirchenvertreter monierten wir die Verantwortung, die eine Erbschaft mit sich bringen würde angesichts des angeblich baufälligen Zustandes der Villa. In einer zurückliegenden Veröffentlichung brachten wir dies bereits zum Ausdruck. Läßt man seitens der Evangelischen Kirche den Aspekt der uns gegenüber gemachten Angabe bezüglich der Vererbung absichtlich unerwähnt und formuliert heute mit „Schenkung“, um möglicher Weise von dem verantwortungslosen Umgang abzulenken – oder müssen wir Zweifel an der Richtigkeit der Aussage haben?

Respektvoller Umgang - der neue Besitzer der alten Kirche in der Marc-Aurel-Gasse hat daß zuvor am Dach angebrachte Kreuz restaurieren lassen und würdevoll plaziert. Nicht einmal das alte Kirchenkreuz hat die Evangelische Kirche in ihre Obhut genommen ...

Respektvoller Umgang – der neue Besitzer der alten Kirche in der Marc-Aurel-Gasse hat daß zuvor am Dach angebrachte Kreuz restaurieren lassen und würdevoll plaziert. Nicht einmal das alte Kirchenkreuz hat die Evangelische Kirche in ihre Obhut genommen …

Das Kirchenprojekt ist in der Öffentlichkeit nicht unumstritten, wie wir in unseren Interviews und Gesprächen erfahren. Außer Frage steht, daß es sich bei dem beabsichtigten Bau um ein Kunstobjekt handelt. Wie sich dieses allerdings in Einklang mit dem Begriff Mittelalterstadt bringen lassen soll, ist nicht nur uns schleierhaft. Steht doch der beabsichtigte Bau vom Zentrum in Richtung Hexenberg blickend beispielsweise vor dem Karner. Betrachtet man das Fassadenensemble in der Alten Poststraße, dann kann nur noch von krassesten Gegensätzen gesprochen werden. Ein als „Glockenturm“ benanntes Gebilde, das zumindest auf den Abbildungen über gar keine Glocke verfügt, hat eine Höhe von 20m! (Siehe Abbildung 1. Seite – oben rechts) Paßt diese Architektur zu dem Ansinnen, Hainburg als Mittelalterstadt touristisch zu etablieren?

Lokalpolitiker, die wir darauf ansprachen und die namentlich nicht genannt werden möchten, teilten mit, daß sich niemand traut, den Stein ins Rollen zu bringen. Wir befragten Bürgermeister Karl KINDL (ÖVP), wie sich denn der Aspekt der Mittelalterstadt mit dem Kirchenprojekt vereinbaren lasse. KINDL teilte mit, daß den Gemeinderäten das Projekt vorgestellt wurde und sich kein Politiker dagegen aussprach oder Kritik äußerte.

Im städtischen Bauamt erkundigten wir uns, ob ein Ortsbildgutachten zu dem Kirchenprojekt beantragt oder erstellt wurde. Die Bauamtsleiterin Michaela EDLINGER nur knapp:

Das brauchen wir nicht.

Es gibt Bürger, die gegen das Kirchenprojekt sind und von einem Prestigebau sprechen. Eine Bürgerbefragung wäre eine Möglichkeit, um eine Klärung herbeizuführen. Jedenfalls unverzichtbar erscheint uns die Notwendigkeit, ein Ortsbildgutachten einzuholen. DI Thomas PROSL von der NÖ Landesregierung konfrontierten wir mit dem Sachverhalt. Er teilte mit, daß die Stadtgemeinde Hainburg ein unabhängiges Ortsbildgutachten bei der Abteilung Ortsbildpflege in der Baudirektion beantragen kann. Wir vertreten die Auffassung, dass auch eine in unserem Kulturkreis beheimatete Glaubensgemeinschaft ihre Sakralbauten dem Ortsbild anzupassen hat. Wäre der Bauherr beispielsweise die moslemische Gemeinde, dann wären die Protestrufe weit über’s Land hörbar!

Red. Anm.: Die hier veröffentlichten Abbildungen des Baumodells erfolgen ausschließlich zur Veranschaulichung und Dokumentation des Sachverhaltes – das Urheberrecht liegt bei den Verantwortlichen und wird durch diese Veröffentlichung nicht berührt und verbleibt bei diesen.

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