Kindergärtnerin – Beruf oder Berufung?

(Hainburg) Es steht außer Frage, daß Kinder mit ihrer Entwicklung und Erziehung als wichtigstes Gut der Gesellschaft anzusehen sind. Daß hin und wieder mediale Werbebotschaften auftauchen, die uns den Umstand aufzeigen, daß es sich bei Kindern um unsere „Altersvorsorge“ handelt, ist eine zweifelhafte Degradierung der heranwachsenden Generation, selbst wenn man einschlägigen PR-Maßnahmen eine humoristische Intension abgewinnen könnte.

Kindergärten sind die Orte, wo Kinder auch soziale Strukturen innerhalb einer größeren Gemeinschaft erfahren und auch erlernen sollen. Das Personal in solchen Einrichtungen sind Personen, die einschlägige pädagogische Ausbildungen erfahren haben und berufsbegleitend, wie auch Lehrer, einer permanenten Fortbildung unterliegen.

Jede Mutter und jeder Vater, davon gehen wir jetzt positiv denkend aus, ist sich der Tragweite, die der Eintritt in den Kindergarten beinhaltet, bewußt. Sind es oftmals auch Tränen, die die „Trennung“ in den ersten Tagen des Kindergartenbesuches beinhaltet, so steht das eigene Kind, vielleicht erstmals unter der Verantwortung einer Person, die nicht dem Familien- oder Bekanntenkreis zuzuordnen ist. Es beginnt ein neuer Lebensabschnitt, der Eigenverantwortung und neue Verpflichtungen der Kinder beinhaltet.

Die Beobachtungen, die in einem Kindergarten in einer Kleinstadt über einen längeren Zeitraum gemacht wurden, stehen im Mittelpunkt einer Reportage, in deren Interesse es mit Sicherheit nicht liegt eine Polemisierung zu erreichen, sondern, die in legitimer Ableitung mögliche Problematiken aufwirft. Wir werden anhand von drei konkreten Beispielen, die sich in einem Kindergarten zugetragen haben, der unter der Arbeitgeberschaft der Niederösterreichischen Landesregierung steht, Fälle aufzeigen und Beobachtungen schildern, die wir schlußendlich der Aufsichtsbehörde zur Stellungnahme übermittelten.

Nachdem es sich in dieser Reportage nicht um einen Fingerzeig auf bestimmte Personen handelt, sondern grundsätzliche Aspekte im Zusammenhang mit dem Arbeitsplatz Kindergarten stehen, wird auf die Nennung von Detailangaben der einzelnen beteiligten Personen verzichtet, die Namen wurden geändert. Zu den Ereignissen im Einzelnen:

Fall 1 – Fremdkörper im Kind

Fall 1) Die fünfeinhalb-jährige R. besucht halbtägig, werktags den NÖ Landes-Kindergarten in Hainburg und wird zu Mittag stets von einem ihrer Elternteile abgeholt. Es war ein Mittwoch am frühen Nachmittag, als sich R. an ihre Mutter wandte und ihr davon erzählte, daß ihr Freund und sie sich an diesem Tag im Turnsaal einen Magnetstab in den Popo gesteckt hätten.

Diese „Clique“ ist im Familienverband bestens bekannt, immer wieder stecken die Köpfe zusammen, Besuche außerhalb der Kindergartenzeit zeugen von einer bereits lang anhaltenden Freundschaft. Die kleine Gruppe besteht aus R. und drei Buben im Alter zwischen 5 und 6 Jahren. Die Erzählung fand in einer als belustigend zu beschreibenden Atmosphäre statt und die Reaktion der Mutter war spontan entsprechend und im Gedankengang „was sich Kinder so alles an Geschichten ausdenken“ – in keinem Moment der Annahme, daß es sich um eine reale Begebenheit handelt. Als R. im Gespräch begann das vorsichtige Hinterfragen der Mutter mit Details um diesen Vorgang zu bereichern, die der im Nebenzimmer anwesende Vater vernahm, veränderten sich zunehmend die Gesichtszüge der Eltern, die mittlerweile Blickkontakt hatten. Der Vater begab sich darauf in das Zimmer und es folgte ein sehr umsichtig geführter Dialog mit dem Kind. Der Wahrheit Kern konnte nach Einschätzung der Eltern nur dann gefunden werden, wenn man der wichtigsten Leitlinie folgte: das Kind sollte sich nicht in die Enge getrieben fühlen oder die Vermutung jetzt und plötzlich aufkommen, etwas ganz „Schlimmes“ gemacht zu haben. Es dauerte seine Zeit und dem Grunde nach kann die vollständige Erzählung des Mädchens nur auf die Einfühlsamkeit der Eltern zurückgeführt werden. Zusammenfassend war die Erkenntnis, daß die Clique an diesem Tag am Vormittag unbeaufsichtigt in einem als „Turnsaal“ bezeichneten Raum im Kindergarten war und während zwei von ihnen abseits standen, steckten sich die beiden anderen Kinder aus „Witz“ (R.) einen Magnetstab eines im Kindergarten vorhandenen Spieles in den After. Die „Tante*“ soll während dieser Zeit gerade eine Rauchpause gemacht haben. (*Bezeichnung von R.)

Faksimilie des Krankenhausbefundes

Faksimilie des Krankenhausbefundes

Ob nun die Geschichte wahr wäre oder was davon, konnte letztendlich nur eine Arztkonsultation zu Tage bringen. Die Eltern bemühten sich ihrem Kind von möglichen Folgen zu erzählen und erweiterten das Thema um das Verschlucken von Gegenständen. Während der Vater zu Hause blieb, mit der Mutter des Busenfreundes X. Kontakt aufnahm und ersuchte behutsam doch bei ihrem Sohn bezüglich des geschilderten Vorganges nachzufragen, begab sich die Mutter mit R. in das Krankenhaus. Wie unterschiedlich Eltern auf derartige, doch eher ungewöhnliche Ereignisse reagieren, zeigte sich bei dem Buben X. Dessen Vater teilte telephonisch mit, daß er diesen Punkt betreffend, ab sofort alleiniger Ansprechpartner sei und nicht mehr seine Frau. Es gäbe eine Mehrzahl von Vorkommnissen in diesem Kindergarten und er habe auch schon Maßnahmen eingeleitet. Die Beteiligung seines Sohnes an einem derartigen Vorgang schloß er jedoch aus, da sein Sohn „so etwas nicht machen würde“. Wie auch immer, als die Mutter von R. mit ihr aus dem Krankenhaus kam, stand auf dem Behandlungsschein der Ambulanz als Diagnose:

Magnetstab in der Ampulle tastbar, mobilisierbar …

Als Therapie wurde die Anwendung von Microklist verordnet.

Der abgegangene Fremdkörper mit Größenvergleich einer 2.- Euromünze

Der abgegangene Fremdkörper mit Größenvergleich einer 2.- Euromünze

R.´s Vater nahm nochmals mit dem Vater von X. telephonisch Kontakt auf und informierte ihn über die ärztliche Feststellung. Alles sprach dafür, daß die Angaben des eigenen Kindes stimmten. Obwohl der Vater von X. von noch ganz anderen Vorkommnissen berichtete, (Anm.: in Ermangelung eigener Recherchen unterbleibt hier eine Anführung), resultierte seine Reaktion in der Feststellung, daß er es definitiv ausschloß, daß sich sein Kind an einem derartigen Vorgang beteiligt haben sollte und hielt es weder für angebracht noch für notwendig, selbst mit seinem Schützling einen Arzt zu konsultieren.

Mütter wissen zumeist um die Gewohnheiten bezüglich des Stuhlganges ihrer Kinder und aus der Schilderung der zeitlichen Abläufe resultierend, galt es jetzt herauszufinden, ob sich die Kinder tatsächlich an dem besagten Tag alleine und somit unbeaufsichtigt in dem als „Turnsaal“ bezeichneten Raum aufgehalten hatten.

Am nächsten Morgen begab sich R.´s Vater mit seiner Tochter in den Kindergarten und sprach die betroffene Kindergärtnerin darauf an, ob sich die vier Kinder am Vortag alleine in dem räumlich getrennten Turnsaal aufgehalten hatten? Dies wurde seitens der Kindergärtnerin bestätigt. In der uns vorliegenden Stellungnahme der Pädagogin wird als Argumentation angeführt, daß die neuen pädagogischen Erziehungsrichtlinien auch das „Alleinelassen“ beinhalten. Unter Einbeziehung aller Argumente, die für dieses „Allein-sein“ sprechen, sollte doch unter einem subjektiven und objektiven Empfinden diesbezüglich unterschieden werden können. Kindern das Gefühl von „unbeaufsichtigt sein“ zu vermitteln, sollte/müsste noch lange nicht bedeuten, daß sie tatsächlich alleine und real unbeaufsichtigt sind. Was wäre geschehen, ohne die räumliche Gestaltung des „Turnsaales“ zu kennen, wenn sich dort ein Kind verletzt hätte?

Fakt bleibt, daß sich die Kinder unbeaufsichtigt in einem Raum im Kindergarten aufgehalten haben und zumindest bei der fünfeinhalbjährigen R. ein Magnetstab mit 26mm Länge und einer Stärke von 7mm im Körper vorhanden war und dann mit Hilfe der verordneten Arznei auf natürlichem Wege abging.

Fall 2  – Abholung des Kindergartenkindes durch Minderjährige

Auszug aus dem Niederösterreichischen Kindergartengesetz § 12

Auszug aus dem Niederösterreichischen Kindergartengesetz § 12

Fall 2) Die Abholung von Kindern vom Kindergarten ist durch einschlägige gesetzliche Bestimmungen geregelt. So dürfen grundsätzlich Kinder aus dem Kindergarten nur: „An die Eltern (Erziehungsberechtigten) oder an eine körperlich, geistig und psychisch geeignete Person, die von den Eltern (Erziehungsberechtigten) zur Übernahme des Kindes bevollmächtigt wurde, abgegeben werden.“ (§ 12 NÖ Kindergartengesetz). Im Fall des Kindes R. hat der Vater aus gegebenem Anlaß darauf hingewiesen, daß nur folgende Personen berechtigt sind das eigene Kind vom Kindergarten abzuholen: die Kindesmutter, der Großvater und er selbst. Diese Festlegung durch den Erziehungsberechtigten sei auch dem weiteren Kindergartenpersonal inhaltlich zur Kenntnis zu bringen. Am Tag nach dieser Festlegung, legte die Kindergärtnerin dem Vater eine Vollmacht vor auf der er die Namen und den familiären Bezug zusätzlich schriftlich festlegen sollte. Diesem Erfordernis kam er selbstverständlich nach. Der Zufall wollte es, daß nur wenige Tage darauf, die damals 10jährige Schwester kam und R. abholte. Ohne jegliche Nachfrage wurde der Minderjährigen die kleine Schwester überantwortet. Die Empörung beim Kindesvater war groß, als er dies erfuhr und zusätzlich stellte sich die Frage, warum vorher extra noch ein Schriftstück gefordert wurde? Die Beschwerde bei der Leiterin des Kindergartens brachte nur eine Entschuldigung für ein Verhalten zu Tage, das in sich selbst durch § 12 NÖ Kindergartengesetz bereits im Grundsatz problematisch erscheint. Die Gesetzesformulierung, die nur Begriffe wie körperlich, geistig und psychisch geeignet umfasst, bleibt ein wichtiges Element eines Mindestalters schuldig. Im Falle eines Unglückes sind Grunderfordernisse bezüglich eines Mindestalters als fehlender Bestandteil des Gesetzes einzustufen. Wer würde real die Verantwortung tragen, wenn beispielsweise ein 12 jähriges Kind ein Kindergartenkind abholt und dann etwas passiert? Eine Strafmündigkeit existiert erst ab dem 14. Geburtstag? Im Verkehrsrecht sind Kinder aus dem Vertrauensgrundsatz ebenfalls ausgeschlossen. Die gegenwärtige Formulierung könnte angesichts der Rechtssprechung im Falle eines Unglücksereignisses unabsehbare Folgen haben. Dieses scheinbar rechtliche Manko werden wir weiter bei den zuständigen Stellen hinterfragen.

Fall 3 – Fußtritte eines Kindes gegen Oberkörper eines am Boden Liegenden – Personal reagiert nicht

Fall 3) Im Sommer diesen Jahres holte der Vater, wie schon oft zuvor seine Tochter R. zu Mittag ab. In den überwiegenden Fällen bot sich immer das gleiche Bild. Kinder unterschiedlicher Kindergartengruppen und gemischten Alters tummeln sich bei Schönwetter im Freigelände, während die Pädagoginnen gemeinsam auf einer Bank sitzen. Nur in den seltensten Fällen, konnte die Feststellung gemacht werden, daß sich diese mit den Kindern aktiv, spielerisch auseinandersetzen. An diesem Tag war jedoch ein Vorgang zu beobachten, der den Vater zur Erkenntnis kommen ließ, daß er froh ist, daß sich die Kindergartenzeit seiner Tochter „Gott sei dank“ dem Ende zuneigt. 2 Buben rauften miteinander und balgten sich auf der Wiese. Dem Grunde nach keine Besonderheit, derartiges Verhalten gehört dazu – zumindest bis zu einem gewissen Punkt. Die Kindergärtnerinnen saßen in gewohnter Manier zusammen auf der Bank, etwas abseits des Geschehens, jedoch befand sich die Örtlichkeit im Blickfeld, vorausgesetzt man beobachtet das Geschehen. Dann gesellte sich ein drittes Kind zu der Rauferei, die andere Formen annahm. Während ein Bub am Boden lag, ein zweiter ihn malträtierte, kam ein ihm bekannter 7jähriger hinzu. Dann spielten sich Szenen ab, die einem Film glichen. Der 7jährige holte mit dem Fuß aus und im Stil des Ankickens beim Fußballspiel trat er gegen den Oberkörper des Knaben, der am Boden lag. Nach dem ersten Tritt, blickte der Vater, der nur seine Tochter R. abholen wollte, zu der Bank und keine der dort befindlichen Kindergärtnerinnen, nahm das Szenario wahr. Der zweite Tritt erfolgte und noch immer keine Reaktion. Während der Fuß für den dritten Tritt ausgeholt wurde, schrie der Vater auf. Der dritte Tritt traf den Buben nicht mehr und quer über die Gartenanlage wurden die anwesenden Pädagoginnen lauthals gefragt, ob sie denn nicht auch ihre Aufmerksamkeit den Kindern widmen möchten. Die Frage, wie so etwas möglich ist, daß ein Kind im Kindergarten mit Füßen in einer Art und Weise gegen den Oberkörper eines am Boden liegenden wuchtig treten kann, blieb unbeantwortet. Zwar eilte dann sofort eine Hortpädagogin herbei und stellte den 7jährigen zur Rede, aber warum muß man auf so etwas überhaupt aufmerksam machen?

Die geschilderten Sachverhalte veranlaßte uns mit der zuständigen Stelle der Niederösterreichischen Landesregierung Kontakt aufzunehmen und den Leiter für das Kindergartenwesen, Herrn Mag. Josef STAAR, um eine Stellungnahme zu ersuchen. Nach Darlegung des Sachverhaltes und Erhebungen durch die NÖ LR, teilte uns der Leiter sein Bedauern über die Vorfälle mit, die Sachverhalte werden sehr ernst genommen und einer Prüfung unterzogen.

Mag. STAAR spricht von der pädagogischen Freiheit der Kindergärtnerinnen, die Begriffe wie mittelbare und unmittelbare Beaufsichtigung umfasst. Natürlich sind angesichts der entwicklungsbedingten Veränderungen in der Pädagogik Freiheiten für die Kinder inkludiert. Eine 100%ige Kontrolle kann es natürlich nie geben, sie wird auch gar nicht angestrebt. Übereinstimmung zwischen Mag. STAAR´s und der von uns vertretenen Meinung, daß das subjektive Empfinden eines Kindes, ob es nun unbeobachtet ist, mit einem tatsächlichen physischen Alleinelassen nicht einhergehen muß. Geschulte Pädagogen und Pädagoginnen sind sehr wohl in der Lage, Kindern ein Gefühl von Selbständigkeit und Unbeobachtet-sein geben zu können und dennoch stets der Aufsichtspflicht nachzukommen. Der Leiter führte auch aus, daß die zuständige Kindergarteninspektorin seitens seiner Abteilung mit den Fällen vertraut gemacht wurde und Maßnahmen getroffen werden um derartige Vorkommnisse künftig auszuschließen. Gespräche würden sowohl intern als auch mit der Kindergartenleitung im betroffenen Kindergarten geführt werden.

Es ist bedauerlich, daß erst Kontrollmechanismen eingeschaltet werden müssen, ebenso, daß beispielsweise laut den uns vorliegenden Informationen, die Kindergarteninspektorin verstärkt in Erscheinung treten mußte, um zu erzielen, was eigentlich Selbstverständnis sein sollte: Daß Menschen, die ihre Kinder geschulten Fachkräften anvertrauen, die Gewährleistung haben sollten, sie in guten, verantwortungsvollen Händen zu wissen. Es ist erfreulich, daß derartige Vorfälle nicht die Spitze des Eisberges sind, sondern tatsächlich nur Einzelfälle. Behutsam überantworten wir als Eltern Kinder anderen Menschen. Menschen, die ihren Beruf als Berufung sehen sollten, und nicht wie manche, die glauben es wäre nur ein Job. Wer sich die Erziehung und Entwicklung von Kindern als Lebensinhalt aussucht, der trägt eine Verantwortung über die sich ganz vereinzelt offensichtlich nicht jeder ganz im klaren ist. Solche Menschen sollten ihre Einstellung überdenken und gegebenenfalls die richtigen Konsequenzen ziehen.

Update: Wir haben bei der NÖ Landesregierung nachgefragt, ob sich bezüglich der von uns aufgezeigten Problematik im Zusammenhang mit der Regelung über die Abholung von Kindern (§ 12 NÖ Kindergartengesetz) etwas geändert hat beziehungsweise ob Änderungen geplant sind oder diskutiert werden. Frau Dr. Renate STEGER  als stellvertretende Leiterin der Abteilung war nur bereit insofern Auskunft zu erteilt, indem sie darauf hingewiesen hat, daß es sich dabei um interne (!) Angelegenheiten handelt. Etwaige Gesetzesänderungen werden gegebenenfalls veröffentlicht.

050112

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