Eine besondere Veränderung

4. Gesundheits- & Sicherheitstag Hainburg

(NÖ/Hainburg) Alle Inhalte, die mit dem Begriff „Sozial“ in Verbindung stehen, wie beispielsweise „Sozialwesen“, „Sozialpolitik“ oder auch der „Sozialfall“, haben in dem letzten Jahrzehnt einen gesellschaftlichen und politischen Stellenwert erlangt, der weit über die Vorstellungen der 70er oder 80er Jahre hinausgeht. Doch dieser Artikel zeigt nicht ein weiteres Erscheinungsbild negativer sozialer Entwicklungen auf, im Gegenteil – eine kleine, aber bemerkenswerte Veränderung der Zielausrichtung und Inhaltsdarstellung eines Vereines, des HILFSWERK, explizit der regionalen Gruppe von Hainburg a.d. Donau soll hier reportiert werden.

Das HILFSWERK  ist ein in Österreich bundesweit tätiger Verein, eine Organisation, die in sozialen Arbeitssegmenten wie Altenbetreuung, Kinder- Jugend- & Familienbetreuung, Altenpflege, Nachbarschaftshilfe, Essen auf Rädern und Betrieb eines Notruftelefons, um nur einige Punkte zu nennen, tätig ist. Vielen Menschen sind derlei Organisationen, die zumeist mit ihren speziell gekennzeichneten Kleinfahrzeugen das Straßenbild mitprägen, vom äußeren Erscheinungsbild bestens bekannt. Wenn man als Beispiel die Dienstleistung „Essen auf Rädern“ betrachtet, so ist dies ein Paradebeispiel dafür, welcher Strukturwandel sich dabei in den letzten Jahren vollzog. „Essen auf Rädern“ wurde früher an Menschen geliefert, die ein hohes Alter erreicht hatten, auch in Folge körperlichen Gebrechens nicht mehr in der Lage waren, selbst zu kochen oder es als Überbrückung nach einem Krankenhausaufenthalt konsumierten. Unsere Gesellschaft hat sich verändert wie auch der Lebensalltag – Zeit als kostbares Gut ist Mangel geworden und so überrascht es kaum, daß berufstätige Mütter sich mittlerweile diese Kost wie ein Selbstverständnis bereits nach Hause liefern lassen.

Vernissage und PerformanceVernissage und Performance

Längstens bekannt sind statistische Angaben, die eine Überalterung der Bevölkerung in den deutschsprachigen Ländern für die kommenden Jahrzehnte prognostizieren und schon seit Jahren setzt sich aus Kostengründen der Sozialträger der Trend der Heim-/Hauskrankenpflege fort. Ein weitläufiges Betätigungsfeld, dessen Inanspruchnahme nicht nur ständig steigt, sondern deren Serviceleistungen ebenso permanent erweitert werden.

Vereinsobmann vom HILFSWERK Hainburg, Karl KINDLVereinsobmann vom HILFSWERK Hainburg, Karl KINDL

Um von den verbreiteten Klischeevorstellungen abzukommen, daß Einrichtungen wie das HILFSWERK nur für Menschen hohen Alters tätig sind, und auch um aufzuzeigen, daß hinter sozialem Engagement mehr steht als nur die Inhalte, die der breiten Masse bekannt sind, entschied sich der ehrenamtlich tätige Vorsitzende des HILFSWERKS Hainburg/Donau, Karl KINDL (50) vor einigen Jahren, eigene Wege zu beschreiten. Bereits im Jahre 2001 initiierte KINDL mit Unterstützung seines ausführenden Teams mit etwa 6 Ausstellern den 1. jährlichen Gesundheits- & Sicherheitstag in der durch die Aubesetzung 1984 international bekannt gewordenen Stadt Hainburg/D. eine Informationsveranstaltung. Entgegen der durchaus legitimen Annahme, daß dabei die Aktivitäten des HILFSWERKS  in den Vordergrund gestellt werden würden, war KINDLS Intention ein breit gefächertes Informationsangebot zu liefern und darauf zu verzichten, den Schwerpunkt auf das HILFSWERK zu legen. In den darauf folgenden Jahren nahm nicht nur die Anzahl der Aussteller zu, sondern es gelang, unterschiedlichste Aussteller für Präsentationen zu gewinnen. Bis zum Jahr 2004 entwickelte sich der Gesundheits- & Sicherheitstag zu einer überregional bedeutenden Veranstaltung, bei der sich die Bandbreite der 38 Aussteller von Fachbüchern, Naturkost über Beratung unterschiedlichster Fachärzte bis hin zur Präsentation eines Spezialfahrzeuges für das Aufspüren von organisierten Schlepperbanden erstreckte. Nachdem es sich um keine Produktschau wie bei einer Messe handelt, ist eine Ausgewogenheit zwischen sozialen- und medizinischen Dienstleistungen zu reinen Warenpräsentationen Grundleitbild. Von Anbeginn wurde auch danach getrachtet, keinen Eintritt zu verlangen. Um dem Ausgangsgedanken der reinen Informationsbereitstellung sowie der Aufklärung dienlich zu sein, wird auch keine Standgebühr eingehoben. Mit der Durchführung einer Tombola erwirtschaftet der Verein ein Körbergeld.

Im Sommer überraschte KINDL  mit der Abhaltung einer Vernissage, zu der er zwei Künstler einlud, ihre Werke unter der Schirmherrschaft des HILFSWERKS zu präsentieren. Im ersten Moment drängt sich fast die Frage auf, was eine derartige Organisation zu solch einem Event bewegt, sofern die Künstler nicht vielleicht Behinderte wären. Antwort lieferte der Vorsitzende nicht nur in seiner Ansprache bei der Eröffnung, sondern auch bei unserem Interview, wo er erklärte, daß er als Vertreter einer karitativ tätigen Organisation die Kunst als Bindeglied zwischen Menschen sieht und zusätzlich der Veranstaltungsort in einem Seniorenheim für deren Bewohner eine interessante Abwechslung sei. Laut Definition des Wortes „Sozial“, die Begriffe wie Gesellschaft und Gemeinschaft beinhaltet, ist eine derartige Veranstaltung auch mit diesen Inhalten durchaus legitim. Kindl gehe es auch darum, das Spektrum „Sozial“ im Bewußtsein der Menschen in der Region zu erweitern, was ihm Stirnrunzeln, Erstaunen und Anerkennung sowie letztlich Applaus einbrachte.

Künstler Peter KAUDERSKünstler Peter KAUDERS

Präsentiert wurden über einen Zeitraum von 3 Monaten die Werke von Peter KAUDERS und einer Künstlerin mit der Bezeichnung I.C.H.. KAUDERS legt in seinen Arbeiten das Hauptaugenmerk auf die Gestaltung von Bildern, die seinerseits als „Schichtbilder“ bezeichnet werden, unter Zuhilfenahme unterschiedlicher Ausgangsmaterialien. Dabei werden die Grundstoffe übereinander verarbeitet. Seine Arbeitsmethode bringt Werke hervor, die nach Fertigstellung unterschiedlichste Strukturen auf verschiedenen Ebenen aufweisen. Diese sind sowohl mit dem Auge erkennbar als auch mit den Fingern zu spüren. Die Farben der auf der Vernissage gezeigten Bilder können als dumpf umschrieben werden. Für den Betrachter laden die Werke ein, strukturell erforscht zu werden. Neugierde wird erweckt, wenngleich man Bilder nicht begreifen soll, kommt man bei seiner Kunst unweigerlich in Versuchung, mit den Fingern zu tasten.

Künstlerin I.C.H.Künstlerin I.C.H.

Mit den Bildern der Künstlerin I.C.H. wurde ein guter Kontrast gewählt. Tituliert werden ihre Werke als „Energetische Bilder“, die auf den 5 Elementen der fernöstlichen Philosophie basieren. Sind im europäischen Raum im allgemeinen „nur“ 4 Elemente bekannt, so bezeichnet die alt-chinesische Heilkunde Feuer, Erde, Metall, Wasser und Holz als die ihren. I.C.H., die auch Dipl.-medizinische Qi-Gong Therapeutin ist, ist durch ihre Fähigkeiten in der Lage, vor der Schaffung ihrer Werke alle Ausgangsmaterialien einem geistigen Reinigungsprozess zu unterziehen. Nach Fertigstellung ihrer Bilder, die bewußt rahmenlos gestaltet sind, fließt positive Energie zum Betrachter. Farbzusammenstellungen beziehen sich dabei in der Grundausrichtung thematisch auf das jeweilig dargestellte Element.

Dem Kontakt von Kauders zum Performance-Künstler „Nackte Worte“, Hartmut SCHMID in musikalischer Begleitung von Josef REITER war auch beim Eröffnungsabend einige Kunststückerl zu verdanken. Eine Beschreibung seiner Performance vorzunehmen zu wollen, wäre ein schwieriges Unterfangen, Kunst kann man nicht immer in Worte fassen, um sie beschreiben. In Falle von „Nackte Worte“ empfiehlt es sich sie zu hören und zu sehen. Wenn man die Reaktion der Gäste beobachtete, dann fand sich Eingangs zu Beginn der Darbietungen nur große Fragezeichen in den Gesichtern. Es zeigt jedoch auch die Qualität eines Akteurs, wenn innerliches Kopfschütteln der Betrachter in der Anfangsphase, (man gibt sich doch nicht die Blöße Unverstandenes als solches zu deklarieren) in Beeindruckung übergeht und guter Unterhaltung endet. „Nackte Worte“, das sind Laute, Wortfetzen, Worte, Texte, Lieder, Musik, Disharmonie und Harmonie – Körpersprache und das alles sehr eigenwillig – gut so.

Angesichts der vielen Aktivitäten, die Institutionen gleicher Art und inhaltlicher Ausrichtung jahrein und -aus vornehmen, hebt sich das Engagement der Hainburger Gruppe vom HILFSWERK hervor. Dies, weil dessen Leiter nicht nur erkannt und erfaßt hat, daß neue Gegebenheiten und Entwicklungen im Sozialbereich innovative Schritte zur Informations- & Aufklärungsarbeit bedürfen und das gesellschaftliche Verbinden der Generationen eine unumgängliche Notwendigkeit für die gesellschaftliche Zukunft darstellt, sondern er bereits mit der Umsetzung begonnen hat.

NACHSATZ: Etwa zwei Jahre später flog, ausgelöst durch unsere Kontakte zum HILFSWERK, einer der größten Pflegeskandale Österreichs auf – zum Index der einschlägigen Reportagenserie.

2004-07-11

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