Der EURO kommt und Legenden werden geboren

Historische Aufnahme des GeschäftesHistorische Aufnahme des Geschäftes

(Hainburg) Kennen Sie dies: Sie gehen in Begleitung oder besser gesagt, Sie gingen in Begleitung eines Erwachsenen auf der Straße und plötzlich erzählt Ihnen diese Verwandte oder der Bekannte, dass einst an dieser Stelle sich das oder jenes befunden hat? Es sind die Geschichten, über Einrichtungen oder zum Beispiel Geschäfte die so weitererzählt werden und so manche von ihnen trägt sich so von Generation zu Generation. Selbst im fortgeschrittenen Alter erinnert man sich an den Laden, wo man als Kind seine Wurstsemmel und den Kakao und vor allem die Süssigkeiten eingekauft hat am Weg in die Schule. Diese in der Relation zur Gegenwart kleinen Läden, die Supermärkte der Vergangenheit, werden in der damaligen Form bald von der Bildfläche verschwunden sein. Selbst die modernen, an der „perfekten“ Dienstleistung orientierten Emma-Läden der Gegenwart, die von Grossfirmen zeitweise neu aufgelegt werden und dort Anlehnung suchen, werden daran nichts ändern.

Betriebsschluß wegen EURO-EinführungAlfred Wiesbauer steht als 73jähriger vor der Schließung seiner Greislerei

Diese Reportage befasst sich mit einem solchen Laden. Das Thema alleine für sich ist bereits viel beschrieben worden und somit nichts besonderes. Hier jedoch spielt ein anderer gewichtiger Umstand eine Rolle – die Einführung des EURO. Der Laden von Herrn Alfred WIESBAUER, den er gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin Hedwig NIGG Anfang der 60er Jahre in Hainburg/Donau (NÖ – AUT) übernommen hat, wird per 31.12.2001 seine Türen schliessen. Begonnen hat der heute 73jährige Unternehmer in Kottingbrunn in einem Textilgeschäft und es war seine Liebe, die ihn in diese Kleinstadt zog, wo er dann zu Beginn der 60er Jahre am Standort einer Greislerei mit über 100jähriger Tradition mit dessen Übernahme begann. Mitte der 60er Jahre wurde dann in dieser Stadt das erste Lebensmittelgeschäft mit „Supermarktcharakter“ eröffnet, wie WIESBAUER erzählt. Dies unter anderem veranlasste ihn auch, 1968 umzubauen und 1974 den Laden zu vergrössern. Nun wurde aus der Greislerei ein Supermarkt mit 200 m², der bis zu 4 Angestellte beschäftigte. Die weitere Entwicklung ab den 80er Jahren mit Zunahme der Läden der grossen Supermarktketten ist ja bekannt und das Leben gestaltete sich zunehmend schwieriger.

Die Lebensgefährtin, Hedwig Nigg, in der Käse- und WurstabteilungDie Lebensgefährtin, Hedwig Nigg, in der Käse- und Wurstabteilung

Bereits vor 10 Jahren hätte A. WIESBAUER seinen Laden zusperren können um in Pension zu gehen. Nicht seine Unruhe und sein Streben nach mehr und mehr war es, das dieses Unterfangen nicht ermöglichte, sondern der wirtschaftliche Umstand, dass er nicht aufhören konnte, er konnte es sich finanziell nicht leisten. Nur Wirtschaftstreibende können dies zumeist verstehen und wissen, was sich hinter dieser Aussage verbirgt. So verging Jahr um Jahr, die wirtschaftliche Situation wurde durch weitere Supermärkte immer erschwerender. Es sind die Stammkunden der unmittelbaren Nachbarschaft und die Schulkinder mit ihrem Hang zu Süssigkeiten, die ihm das Überleben ermöglichten.

Aus dem Warenangebot der Greislerei ...Aus dem Warenangebot der Greislerei …

Geschäfte mögen sich durch die Zeit ändern, Schulkinder doch bleiben ihrer Liebe nach Süßem treu und die beiden Pflichtschulen der Stadt Hainburg grenzen unmittelbar an das Geschäft an. Wenn Alfred WIESBAUER über die Vergangenheit spricht und nach besonderen Aspekten gefragt wird, so sind es zwei Komponenten, die von Bedeutung sind. In zwei Punkten hätte er anders entscheiden sollen meinte der Kaufmann. Er hätte sich nicht den Weg zur Computerisierung verschliessen sollen und, als ihm 1963 die RÖMERQUELLE für 7 Millionen Schilling (~ € 508.000) zum Kauf angeboten wurde, mit einem Partner einsteigen sollen.

Auf seine Lebensgefährtin und die Partnerschaft angesprochen, warum sie denn nicht verheiratet sind, sagt er nur knapp: „Es hat sich damals halt nicht ergeben.“ Es ist auch gar nicht wesentlich, doch für die damalige Zeit ungewöhnlich, daß Hedwig NIGG ihren Alfred nicht ehelichte. So bezeugen die beiden Menschen mit ihren über 150 gemeinsamen Lebensjahren, daß ihre Partnerschaft durch gute und auch schwere Jahre getragen wurde und dies ohne Trauschein. Den EURO schaffen sie gemeinsam nicht mehr – „das tue ich mir nicht mehr an“. So ist dessen Einführung vielleicht eine Gnade für die beiden – vielleicht ein wenig mit Zwang aufzuhören, einen Schlußstrich zu ziehen und ein paar Jahre anders als arbeitend zu verbringen. Was er sich wünschen würde, war unsere letzte Frage. „Den letzten Urlaub hatten wir vor 42 Jahren – eine Reise mit dem eigenen Auto durch Österreich.“

Eine Stammkundin an der KasseEine Stammkundin an der Kassa

Wenn der WIESBAUER, wie er in der Bevölkerung genannt wird, seine Tore schließt, dann werden neue geöffnet und der WIESBAUER tritt ein in die Halle der Legenden und so werden auch die Kinder von heute später ihren Kindern einmal erzählen von dem alten Mann und der Frau, wo sie sich ihre Zuckerln auf dem Schulweg geholt haben. So bleiben sie am Leben und in Erinnerung – schön, daß es Euch gegeben hat.

021912

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